Beitrag vom 24.08.2022
Luca Nichetto ist geboren und aufgewachsen auf Murano, einer Inselgruppe, die in der Lagune von Venedig liegt. Ihn prägen die Designeinflüsse aus Italien. Heute lebt er in Stockholm und entwirft unter anderem Möbel für das skandinavische Label &Tradition. Wir sprachen mit Luca Nichetto über funktionales und skulpturales Design. Außerdem verriet er uns wie ein Lolli, den wohl die meisten aus ihrer Kindheit kennen, ihn zum Lato Beistelltisch inspirierte.
Lieber Luca, herzlichen Dank für deine Zeit!
Hattest du schon immer vor Designer zu werden?
Ich komme ursprünglich aus Murano, einer kleinen Insel in der Lagune von Venedig, die für die Glasherstellung berühmt ist. Meine Freunde, Verwandte, Eltern und Großeltern haben in der Glasindustrie gearbeitet. Ich bin also in einem sehr kreativen Umfeld aufgewachsen – Handwerk, Zeichnen, Design und Gestaltung waren in gewisser Weise ein Teil meiner Kindheit.
Nach der Schule bin ich mit Freunden durch Murano gezogen und wir haben bei verschiedenen Fabriken angeklopft, um unsere Zeichnungen zu verkaufen. In den Sommermonaten habe ich kleinere Aufträge übernommen, um mir Taschengeld zu verdienen. Jedoch hatte ich keine Ahnung, dass ich Designer werden würde.
Und wie bist du dann Designer geworden?
Irgendwann war der Moment da, an dem ich mich für einen Beruf oder ein Studium entscheiden musste. Ich suchte nach etwas, das mit zeichnen oder kreieren zu tun hatte. Die University of Architecture in Venedig beschloss, einen neuen Studiengang zu eröffnen und glücklicherweise habe ich mich dann dazu entschieden, dort Design zu studieren.
Ein Jahr vor Ende des Studiums habe ich mich bei verschiedenen Fabriken in Murano beworben. Ich bekam die Chance, meine erste Vasen-Kollektion für die berühmte Glasbläserei Salviati zu entwerfen.
Wo lebst du derzeit?
In Stockholm, gemeinsam mit meiner Frau Åsa und unseren zwei Kindern. In den letzten drei Jahren habe ich dort die meiste Zeit verbracht. Vorher bin ich mehr gereist, um inspirierende Orte zu besuchen und andere, erfrischende Dinge zu sehen.
Wie würdest du dich in drei Worten beschreiben?
Das müsst ihr meine Frau fragen [lacht]. Ich bin nicht gut darin, mich selbst zu beschreiben.
Worauf bist du in deinem Leben am meisten stolz?
Auf alles. Ich bin stolz darauf, ein Vater und ein Ehemann zu sein, also eine Familie gegründet und mir gleichzeitig auch im Berufsleben etwas aufgebaut zu haben. Ich habe ein glückliches und erfülltes Leben.
Was ist dein bisheriger Lieblingsort auf der Welt?
Die Provence! Es ist ein wirklich, wirklich schöner Ort. Die Landschaft, die Kultur, das Essen… es ist einfach alles wundervoll dort. Außerdem ist die Provence sehr interessant, weil sie auf der anderen Seite des Mittelmeers liegt – und zwar in Frankreich, aber es dort auch viele italienische und spanische Einflüsse gibt. Es ist wie ein Zusammenschluss von drei verschiedenen mediterranen Kulturen, das ist ziemlich cool.
Kreierst du deine Designs eher für andere oder finden wir deine Entwürfe auch bei dir zu Hause?
Ich entwerfe Designs für beide Seiten, um ehrlich zu sein. Natürlich hilft mir meine Vorstellungskraft bei der Suche nach einem Design, das andere Menschen lieben könnten. Ich denke an andere, aber ich denke auch daran, dass ich derjenige sein könnte, der dieses Produkt besitzen und benutzen wird.
Wie beginnst du ein neues Designprojekt? Wie und wo suchst du nach Inspiration?
Nun, da gibt es nicht das eine Rezept. Es kommt auf das Unternehmen an, mit dem ich zusammenarbeite. Inspiration ist für mich wirklich vielfältig. Ich meine, die Inspiration kann ein Buch, ein Film oder ein Lied sein. Es kann einfach sein, die Leute zu beobachten, wie sie auf der Straße herumlaufen. Das hängt davon ab, wo der Schwerpunkt des Projekts liegt. Meistens ist es das Projekt selbst, das mich inspiriert.
Welche Einrichtungsmarken bevorzugst du?
Das ist eine schwierige Frage. Es ist so, als würde man einen Musiker nach seinem Lieblingsalbum fragen. Viel wichtiger ist für mich jedoch der Song, den man gemeinsam spielt. Es zählt also das Gesamtpaket. Und &Tradition als Marke mag ich wirklich gerne.
Wie gefällt dir die Zusammenarbeit mit &Tradition? Welches Potenzial siehst du in der Marke? Und denkst du, dass du mit &Tradition auch künstlerisches Design nach Hause bringen kannst?
&Tradition entwickelt sich sehr stark weiter und ist jetzt ein ganz anderes Unternehmen als zu Beginn unserer Zusammenarbeit. Ich denke, dass man dort mehr Mut hat, die Dinge anders zu machen. Meiner Meinung nach macht genau das den Erfolg von &Tradition aus, dass sie die skandinavische Komfortzone verlassen. Ich versuche diese künstlerischen und mutigen Designs für &Tradition zu entwerfen, die das Portfolio der Marke erweitern und noch interessanter machen.
Welches Produkt von &Tradition magst du gerne?
Die Flowerpot Leuchte mag ich sehr, sehr gerne.
Magst du speziell dieses eine Produkt oder auch Verner Panton als Designer?
Ich mag nicht nur seine Designs, sondern ich schätze auch Verner Panton sehr. Produkte sind das Ergebnis einer Einstellung und das ist es, was für mich als Designer wichtig ist. Produkte kommen und gehen – die Attitude des Designers ist das, was den Unterschied ausmacht.
Du bist unter anderem der Designer des beliebten Marmorbeistelltisches Lato für &Tradition: Was hat dich zu diesem Entwurf inspiriert?
Ich habe einen Lolli gegessen und während ich das runde Bonbon am Stiel betrachtete, dachte ich mir „das wäre ein tolles Stück aus Glas“. Dann habe ich mir vorgestellt wie es wäre, den Lolli auf den Kopf zu stellen und eine Tischplatte draufzulegen – so ist der Lato geboren. Das ist eine lustige Inspiration für einen Beistelltisch. Ursprünglich sollte die Basis aus Glas sein, aber das stellte sich in der Umsetzung als unmöglich heraus, also sind wir auf ein anderes Material umgestiegen. Insgesamt hat es drei Jahre gedauert, den Lato zu produzieren. Es war ein langer Weg für so ein simples Produkt. Dennoch kann er überall eingesetzt werden und ich glaube, das ist der Grund, warum dieser Beistelltisch so vielen Kunden gefällt.
Der Beistelltisch ist nicht nur funktional, sondern durch seine Form auch skulptural. Design und Kunst verschmelzen hier. Kannst du sagen, was dich daran am meisten reizt?
Ich bin Italiener, deshalb müssen für mich Funktion, Empathie und Ästhetik immer zusammenspielen. Ich bin absolut gegen rein funktionale Objekte.Der emotionale Teil muss immer vorhanden sein, das ist Teil meiner Philosophie. Manchmal bevorzuge ich es sogar, wenn es mehr Emotion als Funktion gibt – Produkte sollen einen zum Lächeln bringen.
Beitrag vom 24.08.2022